Geheimes Filmmaterial zeigt Chinchillas in grausamen Pelzfabriken in Rumänien und führt zu Forderungen nach einem Verbot der Pelztierzucht

Aktivisten fordern Rumänien auf, das 20. Land in Europa zu werden, das die grausame Pelztierzucht verbietet

Humane Society International


HSI in Romania

BUKAREST, Rumänien—Rumänien wird aufgefordert, das 20. Land in Europa zu werden, das die Pelztierzucht verbietet, nachdem eine verdeckte Untersuchung von Humane Society International/Europe schwerwiegende Tierschutzverstöße auf Pelzfarmen aufgedeckt hat. Nach Gesprächen mit HSI/Europe haben Abgeordnete der Nationalliberalen Partei dem Parlament einen Gesetzesentwurf zum Verbot der Nerz- und Chinchillapelzfarmen vorgelegt. Außerdem hat HSI/Europe dem rumänischen Premierminister Nicolae Ciucă ein Dossier mit Untersuchungsergebnissen mit der förmlichen Aufforderung an die Regierung übermittelt, ein nationales Pelzfarmverbot einzuführen.

Die Aufnahmen auf Chinchilla-Pelzfarmen in Rumänien zeigen, dass die Tiere in kleinen, schmutzigen Drahtgitterkäfigen eingesperrt sind, die in fensterlosen Räumen übereinandergestapelt sind, wobei sich unter jedem Käfig ein Haufen Exkremente ansammelt. Babychinchillas werden dabei gefilmt, wie sie sich abmühen, auf dem Boden des Drahtkäfigs zu laufen, wobei ihre Beine durch das Gitter rutschen. Ausgewachsene Chinchillas werden gefilmt, wie sie verzweifelt an den Gitterstäben kauen.

Chinchillas sind in Einzelhaltung untergebracht (außer bei der Aufzucht der Jungen), obwohl sie sehr soziale Wesen sind und nur einen Bruchteil des natürlichen Aktionsradius in freier Wildbahn haben – sie können in Freiheit bis zu einem Meter hoch und bis zu zwei Meter weit springen. Der HSI-Ermittler erfuhr, dass die Weibchen in einen fast ununterbrochenen Schwangerschaftszyklus gezwungen werden, der nur wenige Stunden nach der Geburt der Jungen erneut beginnen kann. In Pelztierfarmen wird ein unnatürliches und stressiges polygames Zuchtsystem angewandt, bei dem ein Männchen Zugang zu bis zu zehn Weibchen hat und sich mit ihnen paart. Die weiblichen Tiere tragen Halskrausen oder starre Halsbänder, um zu verhindern, dass sie während der Paarung entkommen können.

Mehrere Pelztierzüchter wurden auch dabei gefilmt, wie sie Chinchillas kopfüber am Schwanz festhielten – eine Praxis, die gegen tierärztliche Empfehlungen verstößt, da die Gefahr besteht, dass der Schwanz abreißt.

Die Untersuchung findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem in ganz Europa Tausende von EU-Bürger*innen eine Europäische Bürgerinitiative unterzeichnen, die ein EU-weites Verbot der Pelztierzucht fordert. Die EBI muss eine Million Unterschriften erreichen, damit die Europäische Kommission eine Stellungnahme zur Pelztierzucht in Europa erarbeiten muss.

Andreea Roseti, die rumänische Landesdirektorin von Humane Society International/Europe, sagte: “Diese Untersuchung liefert schockierende Beweise für das unvorstellbare Leid, das diese Tiere in Rumänien für die Pelzindustrie erleben müssen. Solche Grausamkeiten bringen Schande über Rumänien, und wir hoffen, dass unsere Untersuchung den Anfang vom Ende der Pelzindustrie in diesem Land markiert. Ich bin sicher, dass die meisten rumänischen Bürger*innen entsetzt sein werden, wenn sie erfahren, dass im Verborgenen Tausende Chinchillas für unnötige Pelzmode leiden, die niemand braucht. Die Pelztierzucht hat in einer modernen, mitfühlenden Gesellschaft keine Zukunft. Deshalb haben 19 Länder in ganz Europa diese Praxis bereits vollständig verboten.”

Wir fordern den rumänischen Premierminister Ciucă auf, rasch zu handeln und die Pelztierzucht für alle Tierarten umfassend zu verbieten, um dieses grausame Leiden im Namen der Mode zu beenden. Top-Designer und Hersteller auf der ganzen Welt meiden Pelz, und wir hoffen, dass die Pelzindustrie bald Geschichte sein wird.

Anders als bei der Pelztierzucht von Nerzen, wo die Tiere in Reihen von Käfigen auf Feldern in ländlichen Gebieten untergebracht sind, findet die Chinchillazucht in Rumänien in der Regel in einem Raum oder sogar im Keller eines Gebäudes in Wohngebieten statt. Die schlechten Bedingungen, die HSI/Europe vorfand, entsprechen weder den fünf international anerkannten Grundfreiheiten des Tierschutzes noch den Anforderungen der Richtlinie 98/58/EG des Rates. Die Untersuchung von HSI wirft auch Fragen zu den Methoden auf, mit denen Chinchillas in Rumänien getötet werden. Einige Pelztierzüchter erzählten dem HSI-Ermittler, dass sie den Tieren das Genick brechen – eine Praxis, die nicht als zulässige Tötungsmethode für Chinchillas aufgeführt ist (Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates). Ein Pelzfarmer zeigte dem Ermittler seine selbstgebaute Gaskammer, die er mit einem Schnellkochtopf gebaut hatte, und ein anderer zeigte Chinchillakadaver, die in einer Gefriertruhe gelagert wurden.

Professor Alastair MacMillan, Veterinärmediziner, sagt über das Filmmaterial: “Chinchillas sind von Natur aus sehr gesellige Tiere, doch auf diesen Pelzfarmen werden sie in Einzelhaft gehalten. Sie haben ein ausgeprägtes Bedürfnis zu rennen, zu springen, zu wühlen, nach Futter zu suchen und regelmäßig Sandbäder zu nehmen, doch ihre winzigen Käfige mit nur einem Minimum an Ausgestaltungsmöglichkeiten machen es ihnen unmöglich, diese natürlichen Verhaltensweisen in nennenswertem Umfang auszuleben, was bei ihnen zu erheblicher Frustration und psychischem Stress führen muss. Das lange Stehen auf dem Maschendrahtboden verursacht Schmerzen und Verletzungen an den empfindlichen Pfoten und stellt für die Jungen eindeutig eine körperliche Belastung dar. Wenn diese Tiere routinemäßig auf diese Weise getötet werden, wie einige der Pelztierzüchter zugeben, dann ist das sicherlich ein schreckliches Ende eines elenden Lebens.”

Die Analyse von HSI zeigt, dass ein Verbot der Pelztierzucht in Rumänien nur minimale wirtschaftliche Auswirkungen hätte, da sich die Branche seit einiger Zeit in einem erheblichen Rückgang befindet. Die Landwirte berichteten dem HSI-Ermittler, dass die Preise für Pelze von 40 Euro auf 25 Euro pro Stück gesunken seien und dass die Chinchillazucht als Vollzeitbeschäftigung wirtschaftlich nicht rentabel sei. Ein Chinchillazüchter erklärte, dass er früher 4.000 Felle pro Jahr produzierte, jetzt sind es eher 1.500 Felle. Im Jahr 2013 produzierte Rumänien 200.000 Nerz-, 30.000 Chinchilla- und 2.000 Fuchsfelle und exportierte Pelzbekleidung im Wert von 1.585.098 Euro. Im Jahr 2021 sank der Wert der Ausfuhren auf nur noch 762.359 Euro und die jüngsten Statistiken zeigen, dass sich die Pelzproduktion auf 100.000 Nerze und 15.000 Chinchillas halbiert hat. Aus den Finanzdaten, die der Ermittler einsehen konnte, geht hervor, dass die beiden verbleibenden Nerzfarmen in Rumänien von 2014 bis 2021 jedes Jahr einen Gewinn von Null auswiesen und nur 46 Personen in den Farmen beschäftigten.

Obwohl der Pelzmarkt rückläufig ist, haben Chinchillapelze immer noch einen hohen Preis. Ein mit Chinchillapelz gefütterter Mantel von Yves Salomon wird bei Harrods im Vereinigten Königreich für 12.600 Pfund verkauft. Die spanische Website Dentro Home, die in das Vereinigte Königreich liefert, verkauft eine Chinchilladecke für 124 950 Euro. Chinchillafell wird auch von Fendi und Loro Piana verwendet.

Weitere Fakten und Hintergrundinformationen:

  • Jedes Jahr werden weltweit mehr als 100 Millionen Tiere wegen ihres Fells getötet – das entspricht drei Tieren, die jede Sekunde nur wegen ihres Fells sterben.
  • Die Pelztierzucht wurde in 19 europäischen Ländern verboten, darunter Malta, Irland, Estland, Frankreich, Italien und zuletzt am 22.nd September 2022 in Lettland. Politische Diskussionen über ein Verbot sind auch in Litauen, Spanien und Polen im Gange. Zwei weitere Länder (Schweiz, Deutschland) haben so strenge Vorschriften erlassen, dass die Pelztierzucht faktisch eingestellt wurde, und drei weitere Länder (Dänemark, Schweden, Ungarn) haben Maßnahmen eingeführt, die die Zucht bestimmter Arten beenden.
  • In Dänemark beantragte nur 1 % der Pelztierzüchter staatliche Beihilfen für die Wiederaufnahme der Tätigkeit, wenn das vorübergehende Verbot der Pelztierzucht nach Dezember 2022 aufgehoben wird. Auch in der kanadischen Provinz British Colombia wird die Nerzzucht schrittweise eingestellt. Das Vereinigte Königreich war das erste Land der Welt, das 2003 die Pelztierzucht verbot.
  • Seit April 2020 wurden Ausbrüche von COVID-19 auf über 480 Nerzfarmen in 12 verschiedenen Ländern Europas und Nordamerikas dokumentiert. Pelze haben auch einen hohen ökologischen Preis, einschließlich der CO2-Emissionen aus der intensiven Haltung, des Abflusses von Dung in Seen und Flüsse und des Cocktails aus giftigen und krebserregenden Chemikalien wie Chrom und Formaldehyd, die zur Konservierung von Pelz und Haut verwendet werden.
  • Immer mehr Modedesigner und Einzelhändler verzichten auf  Pelz. Allein in den letzten Jahren haben Canada Goose, Oscar de la Renta, Valentino, Gucci, Burberry, Versace, Chanel, Prada und andere renommierte Marken angekündigt, auf Pelz zu verzichten.

Laden Sie Videos und Fotos von der Untersuchung herunter

ENDS

Pressekontakt: Eva-Maria Heinen, communications & PR managerin: presse@hsi-europe.org ; +49 (0) 160 94491788

Anmerkungen: die Dreharbeiten fanden zwischen April und Oktober 2021 auf vier Chinchillafarmen in Siebenbürgen sowie in den angrenzenden Regionen im Norden und Süden statt.

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